PREDIGT
- Dienstag, 27. Mai 2014
(Apg 16, 22-34; Joh 16, 5-11)
„GLAUBE
ZWISCHEN WEGGEHEN UND WIEDERKOMMEN JESU“
Liebe Schwestern, Liebe Brüder im Glauben an den
auferstandenen Jesus,
Immer wieder geschehen in unserem Leben Begegnungen, die
uns Freude bringen: Begegnungen mit Familien und Verwandten oder Begegnungen
mit Freunden(innen), die wir schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Bei
mancher Begegnung fühlen wir uns vielleicht sehr wohl und wir sind dabei auch
froh, weil sie unsere Seele berührt und Spuren einer Erinnerung hinterlässt, eine unvergessliche Erinnerung,
deren Spur nie ganz verweht. In diesem Moment erfahren wir natürlich Freude und Glück, so dass wir noch länger bei dieser Begegnung
bleiben und uns nicht so schnell voneinander trennen möchten.
Aber neben solchen fröhlichen Begegnungen erfahren wir
auch traurige Abschiede, sowohl den erzwungenen Abschied, den wir nicht
wollen, als auch den freiwilligen
Abschied, den wir ganz bewusst nehmen. Bei einer solchen Erfahrung können wir nur
langsam diese Trennung akzeptieren und loslassen, obwohl es so sehr schmerzt.
Und wir hoffen darauf, dass wir uns irgendwann und irgendwo wiedersehen können.
Im Evangelium, das wir gerade
hörten, geht es um solche Erfahrungen: die Erfahrung des Abschieds - Jesus
sollte von den Jüngern weggehen: „Jetzt
aber gehe ich zu dem, der mich gesandt hat,…“ Die Jünger erleben hier das
Weggehen Jesu als einen großen Verlust in ihrem Leben. Jesus, der schon lange
mit ihnen war, mit dem sie Sicherheit im Leben erfahren konnten, ist ihnen
nicht mehr unmittelbar gegenwärtig; er ist von ihnen „weggegangen“. „Vielmehr ist euer Herz von Trauer erfüllt,
weil ich euch das gesagt habe.“ Sie
erfahren, dass ihre Begegnung und ihr Zusammensein mit Jesus wie Regentropfen
sind, die ihre Stirn küssen und runterfließen, die ihre Herzen berühren, und
vielleicht sogar ihre Tränen mitnehmen.
Die Jünger sind also traurig und Jesus bedauert, dass die Nachricht von
seinem Weggang auf die Jünger offenbar keine andere Wirkung hat als „trauervolle
Herzen“. Niemand hat gefragt: „Wohin geht Jesus eigentlich?“ Und Jesus antwortet
auch nicht auf die Frage nach dem „Wohin“, sondern er geht auf die Trauer der Jünger ein, als ob sie die
Frage nach dem „Warum“ gestellt hätten: „Denn
wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen, gehe ich aber,
so werde ich ihn euch schicken“.
Die Trauer der Jünger über das „Weggehen“ Jesu
ist aber kein Ende ihrer Lebensgeschichte mit Jesus, weil Jesus die Jünger auf
eine offene Zukunft hinweist, indem er ihnen
den Beistand, den Tröster sendet. Dieser
Abschiedsmoment enthält die Verheißung. Rudolf Bultmann schreibt: „Jesus kann
den Geist nur senden, wenn er gegangen ist.“ Das heißt: Die Identität Jesu ist
nur in der Distanz des Abschieds, also
durch den Schmerz der Trauerarbeit hindurch erfahrbar.
Liebe Schwestern, Liebe Brüder…
Der Geist, der Beistand, den Jesus den Jüngern verheißen
hat, wird die Welt überführen und wird aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und
Gericht ist. In der Apostelgeschichte haben wir gehört, was Paulus und Silas in einer ungerechten Welt
erfahren haben: in der Welt der Gefangenschaft. Durch Unrecht seitens der
Volksmenge und der obersten Beamten haben Paulus und Silas gelitten. Aber trotz
ihres Leidens waren sie mutig: sie beteten zu Gott und sangen Lieder zur Ehre
Gottes durch die Gänge des Gefängnisses. Ein unglaublicher Freimut! Wie konnte
das sein? Woher hatten sie diese Kraft bekommen? Welche Hoffnung hatten sie
getragen?
Ich glaube, solchen Erfahrungen begegnen wir
auch in unserem alltäglichen Leben oder wir erfahren es selbst. Wir fühlen uns wie im Gefängnis:
wir haben Angst und leiden darunter; wir haben Zweifel und erfahren
Hilfslosigkeit und Sinnlosigkeit; oder wir erleben den Abbruch von Beziehungen.
All das macht Angst, führt in Einsamkeit
und Sprachlosigkeit, so dass wir die Gemeinschaft oder Familie nicht als
Gemeinschaft der Liebe erfahren, sondern als Gefängnis, in dem man sich nicht wohl fühlen und keine Liebe
erfahren kann. Viele Menschen, vor allem die kleinen Leute und die Armen, leiden
in der heutigen Zeit, unter Ungerechtigkeit und Gewalt. Rache, Krieg und
blutige Niederschlagung, so glauben die Menschen, gelten als letzte
Möglichkeit, um Konflikte zu lösen. Was Jesus uns gesagt hat: „Liebt einander,
wie ich euch geliebt habe“, das bleibt nur leeres Gerede; stattdessen erfüllen Feindschaft
und Hass sehr stark die Herzen der Menschen.
Liebe Schwestern, Liebe Brüder…
Paulus und Silas werden aus
Isolation und Dunkelheit befreit, weil sie noch einen Gott kennen, auch in
einer solche schwierigen Situation, und weil sie dann weiter Gott Loblieder
singen können. Sie haben also Hoffnung auf das Wiederkommen Jesu und bleiben
nicht so lange in Trauer über sein Weggehen und in Angst vor der Verfolgung.
Dieses kleine Stück Hoffnung ist wie ein Licht, das in die dunkle Nacht eines
Gefängnisses fällt. Es ist auch tröstlich für uns alle zu wissen, dass Gott da
ist und unsere Zukunft offenhält, Zukunft mit dem, der kommen wird, nämlich der
Heilige Geist. Wie Paulus und Silas, lasst uns während dieser Zeit zwischen
Jesu Weggehen und Wiederkommen beten und singen.
Amen.
Vianney
Lein
Krypta,
Dienstag, den 27. Mai 2014
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